Giulia Longhitano
Eine Gründung an historischem Ort
Auf den ersten Blick wie ein Fremdkörper wirkt am Alten Kornmarkt die Fassade der Karmelitenkirche. Sie ist eng an Vorbildern des römischen Barock orientiert, genauer an der Kirche Santa Maria della Scala in Rom. Die wegen des strengen Ordensprinzips eher zurückhaltende Ausgestaltung schafft es dennoch, sich an einem historisch vielschichtigen Ort zu behaupten. Als Schnittpunkt der Jahrhunderte prägten den Alten Kornmarkt zahlreiche bedeutende Bauten und Ereignisse, Angefangen von den frühmittelalterlichen Pfalzanlagen der Herzöge, Könige und Kaiser. Allerdings ist der Zustand auch durch einen Verlust gekennzeichnet. Die einschiffige Wandpfeilerkirche verlor infolge der Säkularisation ihre Ausstattung und wurde zur Mauthalle umfunktioniert. König Ludwig I. von Bayern (1786-1868) ließ den Bau 1836 restaurieren. Seitdem bilden Ausstattungsstücke aus dem Dom, St. Kassian und der abgerissenen Augustinerkirche eine neu geschaffene Einheit. Der ursprüngliche Hochaltar aus Rotmarmor – eine Stiftung Kaiser Leopolds I. (1640-1705) von 1677 – gelangte 1815 in die Pfarrkirche im österreichischen Schärding. Auffällig ist, dass auch heute noch einige Elemente auf den früheren Standort in der Karmelitenkirche hindeuten, so die Statue der Teresa von Ávila (1515-1582), der Ordensgründerin der Unbeschuhten Karmeliten.
Einen Hammer für den Kaiser
Im Zuge gegenreformatorischer Bestrebungen berief Kaiser Ferdinand II. (1578-1637) im Jahre 1634 zunächst zwei Karmeliten in das protestantische Regensburg. Da der Ordensgeneral Dominicus a Jesu Maria (1559-1630) 1620 zum Sieg der katholischen Truppen über die böhmischen Stände in der Schlacht am Weißen Berg zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges beigetragen hatte, war dieser Orden dem Reichsoberhaupt eng verbunden. So ist nicht verwunderlich, dass 1641 Kaiser Ferdinand III. (1608-1657) gemeinsam mit seiner Gattin Maria Anna von Spanien (1606-1646) den Grundstein zum Regensburger Neubau legte. Der damals verwendete Hammer hat sich erhalten und wurde bei weiteren Gelegenheiten eingesetzt. Zudem verlieh Ferdinand III. Kirche und Kloster 1653 einen Schutzbrief. Allein die auf dem Regensburger Reichstag von 1653 gesammelten Spenden ermöglichten die Fertigstellung des Baus. Diese wurden in einem Goldenen Buch dokumentiert. Erst 1673 konnte Kaiser Leopold I. (1640-1705) das Werk vollenden, worauf die Inschrift an der Fassade unübersehbar verweist. Im 18. Jahrundert kamen auf den Fassadenvoluten die Figuren Heinrichs II. (973 oder 978-1024) und Kunigundes von Luxemburg (um 980-1033) hinzu. Mit ihnen wird ein Bezug über den Kornmarkt hinweg zur Alten Kapelle hergestellt, da diese von dem heiligen Kaiserpaar gefördert worden war.
Literaturhinweis
Ulrich Dobhan: Karmeliten in Regensburg. Die Klöster St. Joseph und St. Theresia, Regensburg 2017.
P. Otho Merl OCD: Karmelitenkirche St. Joseph – Regensburg, München 1982.
Peter Morsbach: Regensburgs römische Schauseite. Die Fassade der Karmelitenkirche St. Joseph am Alten Kornmarkt, in: Konrad Maria Färber (Hg.): Regensburg bayerisch 1810. Regensburger Almanach 2010, Regensburg 2010, 76-85.