Castrum Doloris für Kaiserin Eleonora Magdalena

Anna Wagner

Kaiserin Eleonora Magdalena – die Retterin der Dynastie

Eleonora Magdalena Theresia von Pfalz-Neuburg (1655-1720) heiratete 1676 in Passau Kaiser Leopold I. (1640-1705) und sicherte als dessen dritte Ehefrau die Dynastie mit gleich zwei männlichen Thronfolgern, den späteren Kaisern Joseph I. und Karl VI. Ihrem tiefgläubigen Charakter entsprechend trug Eleonora nach dem Tod ihres Mannes nur noch Trauerkleidung und förderte die katholische Kirche durch religiöse Stiftungen.

Nach dem Tod der Kaiserinwitwe in Wien fanden vom 10. bis 12. April 1720 im Regensburger Dom Exequien statt. Zu diesem Zweck ließ das Domkapitel Emporen und Seitenaltäre mit schwarzen Tüchern, Symbolen von Reich und Kaisertum sowie Emblemen schmücken; in der Vierung erhob sich das von großen Leuchtern umgebene Castrum Doloris (Tugendburg) für die Kaiserin. Die überlieferte Predigt des Regensburger Jesuitenpaters Peter von der Weid rechtfertigt den großen Aufwand als ein „Trost der Lebendigen / als ein Hülff der Verstorbenen“ (S.4), obwohl die Kaiserin ein einfaches Begräbnis und die Bezeichnung als „Sünderin“ gewünscht hatte.

Unbekannter Künstler: Kaiserin Eleonore Magdalena von Pfalz-Neuburg, Öl auf Leinwand, um 1680, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 5617
Andreas Geyer: Castrum Doloris für Kaiserin Eleonora in der Vierung des Regensburger Doms, Kupferstich, um 1720, München, Bayerische Staatsbibliothek, 2 Bavar. 970, III, 39, MDZ

Eleonora Magdalenas Tugendburg und der kaiserliche Machtanspruch

Aus einem Baldachin über dem aufgebahrten Leichnam im Mittelalter entwickelten sich ab dem 16. Jahrhundert imposante ephemere, also temporäre Architekturen, die zu Trauerfeiern in der Kirche aus Holz oder Gips errichtet wurden und nicht selten ein komplexes emblematisches Programm aufwiesen. Andreas Geyers Kupferstich zum 1720 für Eleonora Magdalena errichteten Castrum Doloris in der Vierung des Regensburger Domes zeigt auf einem oktogonalen Sockel einen zweigeschossigen, abgestuften Baldachin, davor Personifikationen des Reiches und Ungarns mit Wappentafeln. Auf der Rückseite standen sehr wahrscheinlich Personifikationen von Böhmen und Österreich, womit alle habsburgischen Herrschaftsbereiche abgebildet waren. Das von Säulen gegliederte Hauptgeschoss bietet von allen Seiten einen Blick auf den von zahlreichen Kerzen umstandenen Katafalk. Auf dem Gesims darüber präsentieren Engel die Reichsinsignien, mittig unter dem Bogenscheitel hängt ein einköpfiger Adler (Habsburg) mit Schwert und der Schrifttafel Imperatrici piæ (der frommen Kaiserin). Das zweite Geschoss hat an den Hauptseiten emblematische Bildtafeln, der Stich zeigt ein flammendes Herz als Verweis auf die Barmherzigkeit der Kaiserin. Das Dach des Castrum bildet eine Sparrenkrone, abgeschlossen von einer Personifikation der Caritas und einem überdimensionalen Adler mit ausgebreiteten Schwingen, in den Fängen die Schrifttafel Imperatrici Augustissimæ (der erhabensten Kaiserin).

Das Regensburger Domkapitel als Auftraggeber würdigte Eleonora zusätzlich durch eine direkte Bezugnahme zum Trauergerüst, das fünfzehn Jahre zuvor ihrem Mann errichtet wurde. Auch wenn dieses noch ein drittes Geschoss aufwies, sind formale und inhaltliche Ähnlichkeiten deutlich erkennbar. Das Castrum Doloris feiert die Kaiserin vor allem als tugendhafte und fromme Frau, betont aber gleichzeitig durch Herrschaftszeichen wie Wappen und Reichsinsignien den Machtanspruch und die Herrschaftskontinuität der Habsburger im Heiligen Römischen Reich.

August Christian Fleischmann: Castrum Doloris für Kaiser Leopold I. 1705 im Regensburger Dom, Kupferstich, um 1705, Museen der Stadt Regensburg, Inv.-Nr. HV 903

Zeitgenössische Textquellen:

Peter von der Weid erwähnt in seiner Predigt im Regensburger Dom zum Gedenken an Kaiserin Eleonora das vom Domkapitel errichtete Castrum Doloris:

„Wie dise hohe Welt-Fürstin von hiesiger Landschafft wehmüthig beweinet werde / zeiget sattsam das gegenwärtige / Ansehliche Majestätische und hochfürstliche Castrum doloris, so ein allhiesiges / hochwürdiges / und anjetzo regierende Domb-Capitel hat erheben lassen / bey welcher Leyd- und Liecht-Bühne nun so vil angezündte Dorschen und Kerzen brinnen / und schimmeren / so vil werden hertzliche Condolentzen bedeutet: auch mit disen so vil Tugenden erhellen / mit welchen unsere abgeleibte Kayserin ELEONORA MAGDALENA THERESIA vor der gantzen ehrbaren Welt geleuchtet / und Sie erleuchtet haben.“ (S.3/4)

Als eine der wichtigsten Tugenden neben Weisheit sowie Gottes- und Nächstenliebe nennt der Prediger die Demut, die er ausführlich beschreibt:

„Wien hat den Kayserlichen Tugend-Spiegel ELEONORAM sovil und lange Jahr gesehen und verwunderet: unter dero ansehlichen Tugenden die Demuth Ihres Hertzens über alles geglantzet. Warlich von diser ihrer selbst Verachtung geben Zeugnus alle hohe und nidere Stand-Persohnen / uns heist bey ihnen: ELEONORA in allen ihren Geberden / in ihrem Auffzug / und Kleyderen / in allen ihrem Wandle ist ein Grund demüthige Keyserin gewesen.“ (S.16)

P. Peter von der Weid S. J., Spiritus Principalis. Das ist: Fürstlicher allzeit großmütiger Tugend-Geist in Eleonora Magdalena Theresia …, Regensburg 1720.

In seiner Geschichte Regensburgs beschreibt der Chronist Gumpelzhaimer 200 Jahre später das Totengedenken für die Kaiserin sehr nüchtern und knapp. Während er auch von den weiteren Gedenkfeiern in der Reichsstadt Regensburg berichtet, ist dem Protestanten das reich dekorierte Castrum Doloris, dessen aufwändige Gestaltung er sicher kannte, im katholischen Dom keine Erwähnung wert.

„Das am 19. Januar erfolgte Ableben der Kaiserin Eleonore wurde hier mit feierlichen Gottesdiensten betrauert. Den 10, 11 und 12. April wurden deswegen die Exequien im Dom und am 14. hielt die protestantische Gemeinde ihren Trauergottesdienst, den 12, 15. und 16. ward in St. Emmeram die Gedächtnisfeyer.“ (S.1552)

Christian Gottlieb Gumpelzhaimer, Regensburg’s Geschichte, Sagen und Merkwürdigkeiten: von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten, in einem Abriß aus den besten Chroniken, Geschichtsbüchern, und Urkunden-Sammlungen, dargestellt. Band 3: Vom Jahre 1618 bis 1790, Regensburg 1838.


Literaturhinweis

Michael Brix: Trauergerüste für die Habsburger in Wien, in: Wiener Jahrbuch für Kunst­geschichte 26 (1973), 208-265.

Liselotte Popelka: Castrum doloris oder „Trauriger Schauplatz“. Untersuchungen zu Entstehung und Wesen ephemerer Architektur (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Veröffentlichungen der Kommission für Kunstgeschichte, Band 2), Wien 1994.

Sebastian Roser: Die Trauerfeierlichkeiten für Kaiserin Eleonora Magdalena Theresia 1720, in: Karl Möseneder (Hg.): Feste in Regensburg. Von der Reformation bis zur Gegenwart, Regensburg 1986, 315-319.

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