Ballhaus am Ägidienplatz

Nadine Merk

Musiktheater von kaiserlicher Qualität

Das für den Reichstag von 1653 aus Holz errichtete und 1736 neu aus Stein gebaute Ballhaus wurde ursprünglich als Sportstätte wie als Theater genutzt. Nachdem der Prinzipalkommissar Fürst Alexander Ferdinand von Thurn und Taxis (1704-1773) das Gebäude 1760 angemietet und umgebaut hatte, wurde es bis 1804 durchgehend als Theater genutzt. Die Sitzordnung folgte der Platzvergabe beim Reichstag und somit streng dem gesellschaftlichen Rang der Gäste. Der Prinzipalkommissar bestimmte die Art der Opern, wobei er sich am Kaiserhof in Wien orientierte. Im November 1760 startete der Betrieb mit französischen Opern. Zweimal wöchentlich nach den Reichstagssitzungen fanden Aufführungen der Werke von Antonio Sacchini und anderen statt. Diese waren Bestandteil des repräsentativen Reichstagsprogramms, dessen Hauptpublikum die Gesandtschaften bildeten. Das mit bekannten Schauspielern besetzte französische Ensemble bestand 14 Jahre lang und war von höchster Qualität. Als 1772/73 in Wien zur italienischen Oper gewechselt wurde, stellte auch Regensburg 1774 den Betrieb um. Der neue Prinzipalkommissar, Carl Anselm von Thurn und Taxis (1733-1805), engagierte den berühmten Musikintendanten Freiherr Theodor von Schacht (1748-1823). Dieser brachte die Stars der italienischen Oper nach Regensburg.

Gottlieb Romanus Brauser: Ballhaus und Hoftheater am Ägidienplatz, kolorierte Federzeichnung, 1760 Museum der Stadt Regensburg, HV 975
Zweisprachiges Textbuch zu Antonio Gori und Antonio Sacchini, L’isola d’amore, Titelblatt, Regensburg 1775, Privatbesitz

Italienisches vs. deutsches Theater

Die aufkeimende Idee einer deutschen Nation zeigte sich kulturell in der Neuentwicklung des deutschen Singspiels und führte erneut zum Umschwung. Der Wiener Hof war bereits ‚Nationalschaubühne’ als der Prinzipalkommissar 1778 das deutschsprachige Theater in Regensburg einführte. Andreas Schopf (1743-1813) übernahm für vier Jahre die Theaterdirektion. Überschattet wurde die Blüte des deutschen Schauspiels vom Bayerischen Erbfolgekrieg (1778-1779). Der Wiener Hof kehrte 1783 erneut zur italienischen Oper zurück. Nach Renovierung des Ballhauses eröffnete der Prinzipalkommissar 1784 auch in Regensburg den italienischen Opernbetrieb, stieß damit jedoch auf scharfe Kritik. Als „politische[n] Purzelbaum“ bezeichnete die Berliner ‚Litteratur- und Theaterzeitung‘ das Vorgehen und die Gesandtschaften boykottierten die Aufführungen. Sie organisierten auf eigene Kosten ein deutsches Schauspiel im Gasthaus ‚Zum Roten Hahn‘. Dadurch verlor der Theater- und Opernbetrieb in Regensburg seine Bedeutung.

Der Vorhang fällt

Diese Entwicklung führte 1786 zur Schließung der fürstlichen Oper und dem Rückzug von Fürst Carl Anselm als Mäzen. Er stellte das Gebäude aber weiterhin wechselnden Theatergruppen kostenlos zur Verfügung. Emanuel Schikaneder (1741-1812) hielt von 1787 bis 1789 den Spielbetrieb aufrecht, danach verschlechterte sich die Situation rapide. Zur Schließung des Ballhauses führte 1804 die Eröffnung des im Auftrag von Carl Theodor von Dalberg (1744-1817) errichteten neuen Theaters am Bismarckplatz, von dem die Gesandten auf dem Reichstag aber nur noch zwei Jahre profitieren konnten. Die Thurn und Taxis kauften das Ballhaus, das nun als Wagengarage sowie Werkstätte des neuen Theaters diente. 1922 erfolgte der Abriss, um Wohnraum für fürstliche Beamte zu schaffen.

Zeitgenössische Beschreibung des Zustandes Ende 18. Jahrhundert:

„Der Theatersaal ist klein, mit einer einzigen Galerie und etlichen Logen versehen, welche sich die Gesandtschaften bauen ließen, als Bürgerliche das Nobleparterre zu besuchen anfiengen. Der Weg in das Theater und aus demselben auf dem Ballplatze ist, besonders bey übler Witterung, höchst elend. Man steht im Nachhausegehen in Gefahr, von den Fackeln halb verbrant, oder von den Kutschen überfahren zu werden, oder im Koth zu versinken.“

Albrecht Christoph Kayser: Versuch einer kurzen Beschreibung der kaiserlichen freyen Reichsstadt Regensburg, Regensburg 1797, 91f.

Kayser verweist hier deutlich auf die Sonderstellung der Gesandten, die eigene Logen hatten. Allerdings beschreibt er auch die schlechten Bedingungen, die die Gäste nach Ende der Vorstellung vor allem bei schlechtem Wetter erwartete: Unrat und Verkehr. Der Zustand um 1797, wie ihn der Autor beschreibt, lässt kaum noch etwas von Pracht und kaiserlicher Repräsentation erkennen, die das Ballhaus in den ersten Jahrzehnten seines Betriebs geprägt hatten.

Das Ballhaus vor dem Abriss 1922, Nordost-Ansicht (Foto: Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv, B. I. 101)

Literaturhinweis

Christoph Meixner: Musiktheater in Regensburg im Zeitalter des Immerwährenden Reichstags, Sinzig 2008.

Christoph Meixner: Der politische Purzelbaum auf der Reichstagsbühne. Ein Drama per musica in fünf Akten, in: Klemens Unger/Peter Styra/Wolfgang Neiser (Hgg.): Regensburg zur Zeit des Immerwährenden Reichstags. Kultur-historische Aspekte einer Epoche der Stadtgeschichte, Regensburg 2013, 87-99.

Edmund Neubauer: Kulturelles Leben im Zeitalter der Aufklärung (1750-1806), in: Peter Schmid (Hg.): Geschichte der Stadt Regensburg, Bd. 2, Regensburg 2000, S. 929-939, insb. 932-934.

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