Reichsstadtbrunnen am Neupfarrplatz

Sarah Staufer

Reichsstädtische Brunnen als Wasserquellen und Repräsentationsorte

Meist auf zentralen städtischen Plätzen oder an Straßenkreuzungen gelegen, dienten Brunnen in der Frühen Neuzeit nicht nur als öffentliche Wasserquellen, sondern auch als Orte der Begegnung und des Austauschs. Privathaushalte wie Handwerksbetriebe oder öffentliche Institutionen waren auf das kostbare flüssige Gut angewiesen. Mit dem gezielten Ausbau der städtischen Wasserversorgung in Regensburg ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden einige der zuvor hölzernen Brunnenkasten symbolträchtig ausgeschmückt, um das Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Reichsstadt zu repräsentieren. Aufwändig ausgestattete Brunnen waren zugleich Ausdruck wirtschaftlicher Blüte und politischer Programmatik der Reichsstadt. So ist es nicht verwunderlich, dass die Ausgestaltung an zentralen Plätzen der Stadt gelegenen Brunnen oft mit reichspolitischen Ereignissen einherging, die für Regensburg von Bedeutung waren. Wie in kaum einer anderen Reichsstadt gibt es in Regensburg gleich fünf, zwischen 1566 und 1721 errichtete Brunnen, die mit Symbolen des Heiligen Römischen Reiches und der Reichsstadt verziert wurden: den Adlerbrunnen, den Kurfürstenbrunnen, den Friedensbrunnen, den Justitiabrunnen und den Reichsstadtbrunnen.

Reichsstadtbrunnen am Neupfarrplatz (Foto: Harriet Rudolph)

Reformatorische Selbstdarstellung

Mit der Einrichtung der ersten städtischen Wasserleitung in Regensburg 1551 wurde auf dem nach der Zerstörung des jüdischen Viertels 1519 entstandenen Neupfarrplatz erstmals ein hölzerner Brunnen über den Grundmauern der Synagoge errichtet. Er befand sich zudem genau dort, wo bis 1544 auf einer Säule die Marienstatue der „Wallfahrt zur Schönen Maria“ gestanden hatte. Dieses Symbol spezifisch katholischer Glaubensausübung ließ der Rat nach der Einführung der Reformation 1542 demonstrativ entfernen. Als 1567 der Brunnen bereits verfault war, ließ der Rat ihn durch einen steinernen Brunnentrog ersetzen, für den man 383 Gulden ausgab.

Friedrich Bernhard Werner/Johannes Matthias Steudlin: Prospect des Platzes oder marckts mit der Luthr. Neuen Pfarr zur schönen Maria genannt in Regenspurg, Kupferstich, 1740, Bayerische Staatsbibliothek, port-000094, Mapp. XI,516 g/5

Der Kupferstich zeigt den vereinfacht dargestellten Reichsstadtbrunnen unmittelbar auf den nicht sichtbaren Grundmauern der jüdischen Synagoge, zwischen evangelischer Neupfarrkirche und der später abgebrochenen katholischen Augustinerkirche

Im Streit mit den Klöstern

Konflikte mit katholischen Klöstern in der Reichsstadt gefährdeten nicht nur die städtische Selbstverwaltung, die im 18. Jahrhundert wieder erstarkte und mit den Landesherrschaften konkurrieren konnte, sondern auch die ökonomische Lage der Stadt. Ein Beispiel dafür ist der Rechtsstreit im Jahr 1720 zwischen der Reichsstadt und den katholischen Klöstern im Stadtgebiet, die gegen das Bierbrau- und Ausschank-Monopol der Reichsstadt verstießen. Mit ihrer erfolgreichen Klage vor dem Reichshofrat gelang es der Reichsstadt, die Befugnisse der Klöster einzuschränken und auf diese Weise ihre territoriale Souveränität zu demonstrieren

Ein neugestalteter Brunnenstock

Dieses Selbstverständnis der Reichsstadt Regensburg zeigt sich auch bei der Neugestaltung des Reichsstadtbrunnens 1721. Dabei dürfte der schlichte steinerne Brunnentrog noch von 1567 stammen, was die geringen Kosten von 255 Gulden erklären wurde, welche die Stadt 1721 ausgab. Während sich bei anderen Brunnen mit reichsbezogener Ikonografie sich hier Reichs- und Stadtwappen finden, fehlen diese beim Reichstadtbrunnen. Den Blick nach oben gewandt, sieht man einen reich geschmückten, sich nach oben verjüngenden Brunnenstock, an dessen Füßen vier Delphine als Wasserspeier dienen. Bekrönt wird er durch einen massiven steinernen Doppeladler, der auf der Westseite das Stadtwappen mit Schwert und Reichsapfel zeigt, auf der Ostseite das Reichswappen mit Schwert und Zepter. Erstmals stellt sich die Reichsstadt hier auf gleicher Höhe mit Kaiser und Reich dar. Diese neue Positionierung an diesem symbolisch bedeutsamen Ort vermittelt dem Betrachter, dass die Reichsstadt ihre politischen Interessen in Regensburg, aber auch auf der Ebene des Reiches erfolgreich durchsetzte. Dies betraf sowohl die Vertreibung der vom Kaiser bis dato geschützten Juden, die Einführung der Reformation gegen kaiserlichen und bayerischen Widerstand oder auch die Verteidigung reichsstädtischer Privilegien gegen katholische Konkurrenten in der Stadt.

Westseite des Reichsstadtbrunnens mit Doppeladler (Foto: Harriet Rudolph)


Literaturhinweis

Helmut-Eberhard Paulus: Wasser im Dienste reichsstädtischer Repräsentation. In: Historischer Verein für Oberpfalz und Regensburg: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 136 (1996), S. 33-38, 44f.

Elke Masa: Freiplastiken in Regensburg. Brunnen, Denkmäler, Freiplastiken und Installationen im öffentlichen Raum der Stadt, Neustadt an der Aisch 2005, S. 47f.

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