Ostentor

Eric Hesse

Baudaten
Das Ostentor befindet sich am östlichen Rand der Regensburger Altstadt. Es wurde 1284 als einer von sechs stadtschützenden Tortürmen erbaut und wird von zwei achteckigen Türmen flankiert.
Der Durchgang ist in Spitzbogenform ausgestaltet und führt durch eine rippenförmige Kreuzgewölbehalle, in der man noch heute an beiden Eingängen Mauerschlitze entdecken kann. Diese Schlitze sind Überbleibsel der Fallgitter, die von beiden Seiten das Tor rasch absperren konnten. Das Ostentor war Teil einer imposanten Verteidigungsanlage, die mitsamt dem Wehrgang, dem Gusserker und Schießscharten ihre Verteidigungsfertigkeit zeigte.

Ostentor von der Stadt aus gesehen (Foto: H. Helmlechner, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Der Kaiseradventus als Repräsentationschance

Durch den Anschluss an die Donau war Regensburg für die in Wien residierenden habsburgischen Kaiser ein komfortables Reiseziel. Da die Ostroute der Kaiser über Wien nach Regensburg natürlich durch das Ostentor führte, war es wenig verwunderlich, dass die Habsburger dieses Tor oft für ihren Einzug in die Stadt nutzten. Für Kaiser und deren Gefolge waren Kaisereinzüge eine wichtige Profilierungschance. Dabei war die feierliche Inszenierung dieser Umzüge mit verschiedenen Zielen verbunden. Zunächst waren sie prestigesuchend und autoritätsbestätigend. Wie und warum waren sie das?
In der Frühen Neuzeit handelten verschiedene politische Akteure ihre Macht und ihren Einfluss mit sichtbaren Symbolen sowie Ritualen aus und visualisierten diese so vor einer Menge von Herrschenden und Beherrschten. Ein Kaisereinzug führte an wichtigen Stationen einer Stadt auf einem vorher abgesteckten Prozessionspfad vorbei. So waren z.B. der Regensburger Dom oder öffentliche Plätze gern einbezogene Orte. Durch das Betreten der Gebiete konnten Herrschaft und Herrschaftsanspruch verdeutlicht werden – der Kaiser „besichtigte“ so seine Herrschaftsorte. Ein wichtiges Element war zudem die Prachtentfaltung, welche die ökonomische Macht des Zuschaustellenden offenbarte, denn: Wer viel hat, kann viel geben. Ebenso zeigte die demonstrierte Pracht die Kultiviertheit des Kaiserhofes und damit den kulturellen Führungsanspruch über das Reich und stellvertretend über die Welt. Die Mitnahme und Anzahl von militärischen Truppen bot für den Kaiser die Chance, seine Rolle als Verteidiger des Abendlandes zum Ausdruck zu bringen und gleichzeitig seine eigene Hausmacht und damit sein eigenes militärisches Durchsetzungsvermögen zu vermitteln. Das gemeinsame Auftreten des Kaisers mit seinem Gefolge, welches aus wichtigen Amtsträger*innen und Herrscher*innen des Heiligen Römischen Reiches bestand, war ebenfalls ein Formspiel für die gemeinsame Zusammenarbeit auf dem gesamten kaiserlichen Territorium; es zeigte die Vernetzung des Kaisers und seiner wichtigsten Verbündeten. Weil diese Kaisereinzüge aber eine soziale Hierarchie nicht nur abbildeten, sondern auch konstruierten, ist es wenig verwunderlich, dass es während dieser Prozessionen auch zu Auseinandersetzungen kam. Schließlich hatten die Teilnehmenden der Prozession eigene Ziele und Motivationen. So zeigte u. a. die Nähe zum Kaiser die Wichtigkeit von Personen für das Reich an.

Kaisereinzug Matthias‘ 1613 oder: Wie man sein Ziel nicht erreicht

Ein Beispiel für solche Reibungspunkte ist der Kaiseradventus Kaiser Matthias‘ (1557-1619) nach Regensburg im Jahr 1613. Kaiser Matthias wollte bei einem Reichstag finanzielle Mittel von den Reichsfürsten abverlangen, um die desolaten kaiserlichen Finanzen aufzubessern. Dafür nahm er die Gefahr des Kriegs mit den Osmanen als Vorwand. Matthias zog mit immenser Prachtentfaltung durch das Ostentor ein. Da der Kaiser allerdings ein überhöhtes Maß an Pracht zeigen ließ, gleichzeitig aber nach Geld verlangte, entstand ein Gegensatz zwischen dem, was der Kaiser zeigte (überhöhte ökonomische Macht), und dem, was er forderte (ökonomische Beihilfe für den Kaiserhof). Die gewünschte Finanzspritze erhielt Kaiser Matthias nie.

Baldachin des Kaisers des Heiligen Römischen Reich deutscher Nation (heute im Reichstagssaal des Alten Rathauses. Verweis auf die Kaiserwürde druch den doppelköpfigen Reichsadler. Baldachine wurden bei Kaisereinzügen als mobiles Dach über dem Kaiser getragen) (Foto: Eric Hesse).

Ereignisse wie Kaisereinzüge waren nicht nur regional relevant, sondern auch im Reich weit medial verbreitet. Teilweise verschoben Radierungen oder Kupferstiche auch die Wahrnehmung, zeigten größere Pracht, als tatsächlich zugegen war, oder schmeichelten den Herrschern in anderen Weisen.

Zu erkennen ist eine große Prozession an Reitern. Der Kaiser ist in der unteren linken Ecke unter einem Baldachin, einem Hoheitszeichen. In der Kutsche direkt dahinter befindet sich in direkter Nähe die Kaiserin Anna. Ebenfalls interessant bei der Staffelung der Reiter: Sie sind in nummerierte Dreiergruppen gestaffelt. Die Nähe zum Kaiser und die damit verbundene Rangfolge zeigt den sozialen Rang des Gefolges an.

Die Ehrenpforte Kaiser Ferdinands III. (1608-1657)

Oft wurden bei einem Kaisereinzug auch Ehrenpforten aufgebaut, wobei es sich um prestige- und prachtentfaltende Tore handelte, die den herannahenden Kaiser empfingen. Kupferstiche bildeten Ehrenpforten ab oder zeigten Entwürfe von ihnen.

Diese Tore waren oft freistehend und im Gegensatz zu steinernen Triumphbögen aus nicht langfristigen Baumaterialien gebaut. Das ging auch damit einher, dass sie beim Einzug von Fürsten (nicht nur Kaisern!) Teil größerer Festdekorationen waren und danach wieder abgebaut werden mussten. Ehrenpforten verfügten aufgrund ihres Festcharakters über ein ausgefeiltes Bildprogramm. Die Ehrenpforte Kaiser Ferdinands III. 1652 in Regensburg bildete z.B. Löwen, Putti (Engel in Kinderform) und heraldische Formen wie den doppelköpfigen Reichsadler oder das Regensburger Stadtwappen ab. Die Zeichen waren den wichtigeren Würdenträgern bekannt und konnten hinreichend interpretiert werden. Regensburg präsentierte sich als Stadt des Kaisers, der Kaiser wiederum präsentierte seinen Anspruch auf die Welt – dargestellt durch den Globus.

Ähnlich wie bei langfristig errichteten Toren wie etwa dem Ostentor führte ein Kaiseradventus durch die Ehrenpforte – dieses Spektakel wurde oft von musikalischen Darbietungen begleitet. Während dieser Einzüge in die Stadt wurde von einem Vertreter der Stadt ein symbolischer Schlüssel an den Kaiser übergeben. Dieser Schlüssel agierte als Zeichen der Übergabe der Stadtherrschaft vom Rat der Stadt an den Kaiser für die Zeit seines Aufenthaltes

Wolfgang Kilian: Ehrenpforte Kaiser Ferdinand III., Theatrum Europaeum, Kupferstich, 1652, Herzog Anton Ulrich Museum, Alter Besitz, Zugang vor 1878, WKilian AB 2.18, PURL http://kk.haum-bs.de/?id=w-kilian-ab2-0018 [zuletzte aufgerufen am 08.01.2024]

Literaturhinweis:

Karl Bauer: Regensburg, Kunst-, Kultur und Alltagsgeschichte, Regensburg 2014

Peter Morsbach: Wir wollen Wächter sein. 60 Jahre Vereinigung Freunde der Altstadt Regensburg e.V., Regensburg 2016

Harriet Rudolph: Das Reich als Ereignis. Formen und Funktionen der Herrschaftsinszenierung bei Kaisereinzügen (1558-1618) (Normen und Struktur 38), Köln 2011

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