Sebastian Daniel
Das Wahrzeichen – Zur Baugeschichte der Steinernen Brücke
Als achtes Weltwunder in der Überlieferung des Mittelalters und der Frühneuzeit betitelt war die Brücke schon für Zeitgenossen ihrer Errichtung ein wahres Wunderwerk der Technik und Baukunst. Odo von Deuil (ca. 1110 – 1162), der als Sekretär König Ludwigs VII. (1120 – 1180) eine Chronik über den zweiten Kreuzzug schrieb, bezeichnete sie als „pons optimus“. Sein Bericht aus dem Jahr 1147, wonach das französische Kreuzfahrerheer bei Regensburg die Donau überquerte, ist zugleich das erste Zeugnis für die Passierbarkeit der Steinernen Brücke, um deren Baugeschichte sich einige Mythen und Unklarheiten ranken. Der Nürnberger Meistersänger Hans Sachs (1494 – 1576) dichtete in seinem Lobgedicht auf Regensburg:
Als man zehlet 1135 Jar
Ward daruber baut ein stark Brucken,
Elff ganzer Jar mit Quaderstucken,
Mit vierzehn Schwiebbogen und 14 Joch,
Mitten darauf ein Thurn hoch, / Dadurch die Donau schnell hinschießt,
Auf Oesterreich und Ungarn fließt.
Der Brucken gleicht keine in Teutschland.
Man wird also annehmen dürfen, dass die Steinerne Brücke in den Jahren zwischen 1135/1136 und 1146/1147 gebaut wurde, ein Zeitraum, der aus heutiger Perspektive lang erscheinen mag. Für die damalige Zeit war das Bauwerk erstaunlich genug, dass der Volksmund einen Pakt des Brückenbaumeister mit dem Teufel vermutete. Diese Legende ist völlig frei von jeglicher Historizität, sie vermittelt aber einen Eindruck davon, wie sich Mythos und Realität in der monumentalen Erscheinung der Brücke vermischten. Darstellungen in Kunst und Literatur ebneten ihr den Weg zum Wahrzeichen der Stadt, das untrennbar mit dem Namen „Regensburg“ verbunden ist. Die Steinerne Brücke – ein „pons gloriosus“, wie die Bürger im Brückensiegel verkündeten – war ursprünglich ein handelspolitisches Projekt im Interesse der Regensburger Kaufleute, deren Gewerbe im 12. Jahrhundert in höchster Blüte stand. Während des gesamten Mittelalters bildete sie den einzigen festen Donauübergang von Ulm bis Wien, der Residenzstadt der Habsburger, und war somit von enormer verkehrstechnischer Bedeutung im überregionalen Fernhandel zwischen Nordfrankreich und den Donauländern. Eine Urkunde von Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1122 – 1190) bestimmte für das Jahr 1182 die Abgabenfreiheit der Brücke und privilegiert somit die Regensburger Bürgerschaft, die dadurch erstmalig politisch in Erscheinung trat: „So wird die Steinerne Brücke zum ersten Baustein für die Selbstverwaltung der Bürger.“
Das Prestigeobjekt – Die Steinerne Brücke als kaiserliche Triumphstraße
Als Wahrzeichen der Stadt war die Brücke das repräsentative Tor der Stadt, durch das die Kaiser und Könige des Mittelalters bei der Eröffnung der Reichsversammlungen einzogen. Sie war geradezu Bindeglied zwischen Stadt und Reich, wie Helmut-Eberhard Paulus mit folgenden Worten verdeutlicht: „An den drei Türmen, die das Bild der Brücke lange prägten und sie in ihrem Verlauf befestigten, befanden sich die Rechtssymbole der Stadtfreiheit und der kaiserlichen Hoheit.“ Die Kaiserskulpturen waren „figurale Verbildlichung“ und „stete Erinnerung an die Sonderrechte der Stadt, die ihr Wohlstadt und Bedeutung als Handelsstandort sicherten.“ Im Jahr 1207 verlieh König Philipp von Schwaben (1177 – 1208) im „Philippinum“Stadt und Bürgerschaft umfassende Rechtsbestimmungen. Zum Danke errichtete man ihm und seiner Ehefrau, Irene von Byzanz (1177 oder 1180/81 – 1208), am Mittelturm der Steinernen Brücke thronende Steinplastiken mitsamt Reichsapfel, Reliquiar und Füllhorn. Am sog. „Schwarzen Turm“, der den nördlichen Zugang zur Brücke von Stadtamhof aus sicherte, verkörperte wohl Kaiser Friedrich II. (1220 – 1250), der Stadt und Bürgerschaft 1230 privilegierte und 1245 mit dem „Fridericianum“ das Recht der städtischen Selbstverwaltung verlieh. „Zusammen mit dem ehemals auf der Nordseite des Turmes aufgemalten Reichsadler sollte die Kaiserstatue offenbar ein Rechtsdenkmal bilden, in dem sich die Rechte des Kaisers an der Brücke, aber auch die kaiserlichen Privilegien der Reichsstadt spiegelten.“
Die Befestigungsanlage – Die Steinerne Brücke als Konfliktraum
Der Reichsdekor der Brücke hatte allerdings nicht nur symbolischen Charakter. Der „Schwarze Turm“ markierte die Grenze zwischen der Reichsstadt und der bayerischen Stadtamhofer Seite. Aus diesem Grund und zum Schutze vor Überfällen erweiterte man den nördlichen Brückenkopf im Laufe der Jahrhunderte zu einer regelrechten Befestigungs- und Wehranlage. Durch ihren strategisch wichtigen Flussübergang war die Stadt von enormer fortifikatorischer und militärischer Bedeutung. Nachdem Regensburg 1632 während des Dreißigjährigen Krieges von bayerischen Truppen besetzt worden war, ließ der Stadtkommandant zum Schutz gegen die anrückenden Schweden das dritte Brückenjoch von Süden sprengen. Bis zur statisch bedingten Reparatur 1791 überbrückte man die Lücke aus taktischen Überlegungen mit einer Zugbrücke, die im Falle feindlicher Angriffe hochgezogen werden konnte.
Westansicht der Steinernen Brücke mit stadtseitigem Brückturm, Mittelturm und „Schwarzem Turm“ am nördlichen Brückenkopf. Im Hintergrund ist die Hölzerne Brücke zu erkennen. Der Prospekt zeigt neben der idealisierten, prachtvollen Architektur auch eine romantisch anmutende Landschaft mit religiöser Konnotation durch das Symbol der aufgehenden Sonne im Strahlenkranz. Auf diese Weise wird die Steinerne Brücke als Wahrzeichen Regensburgs stilisiert. Der Dom erscheint in der Relation klein und unbedeutend.
Literaturhinweis
Artur Dirmeier: Die Steinerne Brücke in Regensburg, in: Edith Feistner (Hg.): Das mittelalterliche Regensburg im Zentrum Europas (Forum Mittelalter – Studien 1), Regensburg 2006, 25-41.
Helmut-Eberhard Paulus: Die Steinerne Brücke in Regensburg, in: Gästeführer-Info. Informationen zur Geschichte und Kultur der Stadt Regensburg 6 (1991), 6-34.
Helmut-Eberhard Paulus: Die Steinerne Brücke zu Regensburg. Denkmal der Geschichte – Symbol des Brückenbaus – Wahrzeichen der Stadt, in: Stadt Regensburg – Tiefbau (Hg.): Die Steinerne Brücke – 2010 bis 2018. Denkmalgerechte Sanierung des Regensburger Wahrzeichens, Regenstauf 2018, 33-60.
Peter Brielmaier/Uwe Moos-burger/Peter Morsbach (Hgg.): Regensburg. Metropole im Mittelalter, Regensburg 2007.