Paul Vollmayr
Der Konflikt um Regensburg
Ende des 15. Jahrhunderts war die freie Stadt Regensburg in Bedrängnis. Die Stadt unterstellte sich deswegen 1485 dem oberbairischen Herzog Albrecht IV. (1447-1508) und ließ sich als Landstadt dem bairischen Teilherzogtum eingliedern. Damit wurde Reichsrecht verletzt. Kaiser Friedrich III. (1415-1493), der sich als Stadtoberhaupt begriff, verhängte deswegen 1491 die Reichsacht gegen Stadt und Herzog. Der Herzog, der dort, wo heute die Gebäude Am Singrün 2 stehen, einen Schlossbau begonnen hatte, musste Regensburg 1492 wieder freigeben. 1495 wurde Regensburg in die Rechte einer Reichsstadt eingesetzt. Der vorangegangene Abfall der Stadt vom Reich war aber damit noch nicht vergessen. König Maximilian I. (1459-1519) setzte 1499 zur Wahrung der Interessen und Rechte von Kaiser und Reich in der Stadt einen Reichshauptmann ein.
Das Amt des Reichshauptmannes
Der Reichshauptmann musste nach seinem Amtseid Regensburg: in getrewem schutz, scherm vnnd huet gegen meningklichen behuetten, verteten undd bewaren, sei es in krieg oder fride. Der Reichshauptmann hatte also die Stadt zu jeder Zeit („in krige oder fride“) gegen jeden („meningklichen“) zu beschützen, zu vertreten und zu bewahren („behuetten, vertreten und bewaren“). Er war eine Art Stadtgouverneur. Der Amtseid macht auch die Pflicht des Kaisers, in dessen Auftrag der Reichshauptmann amtet, die Reichsstadt zu beschützen („in getrewen schutz, scherm unnd huet“) deutlich.
In der Verfassung der Reichsstadt Regensburg, der 1500 erlassenen Regimentsordnung, wurde der Reichshauptmann als eine Instanz des Reiches in die städtische Selbstverwaltung eingefügt. Als eine Art Stadtgouverneur hatte der Reichshauptmann die Interessen von Kaiser und Reich in der Stadt und die Stadt nach außen zu vertreten. In Angelegenheiten, die zuvor alleinige Sache des Rates der Stadt gewesen waren, diente er als Ansprechpartner des Kaisers. Er vertrat allerdings auch im Auftrag der Stadt deren Angelegenheiten gegenüber anderen Ständen und im Reich. Innerhalb der städtischen Selbstverwaltung konnte der Reichshauptmann bei allen wichtigen Amtshandlungen anwesend sein. Er hatte allerdings kein Vetorecht. Seine Anwesenheit schuf dennoch eine theoretisch allgegenwärtige Kontroll- und Einflussmöglichkeit, auf die der Kaiser fallbezogen reagieren konnte. Seine formalen Kompetenzen lagen in der Kontrolle bestimmter Ausgaben, der jährlichen Prüfung der Ämterrechnung, und der Durchführung der Wahlen zum Rat der Stadt.
Sigmund Ritter von Rorbach als erster Reichshauptmann
Als Reichshauptmann, der nach den Regelungen der Regimentsordnung von 1500 amtete und von der Stadt zu besolden war, wurde vom König Sigmund Ritter von Rorbach (? – 1511) bestellt. Die Reichsstadt Regensburg sah ihre Rechte als freie Stadt, aus der Zeit vor dem bairischen Intermezzo, verletzt. Man bestand mehrmals vergeblich auf diesen Rechten und versuchte u.a. die Abschaffung des Reichshauptmannes zu erreichen wie auch die Besoldung Sigmunds Ritter von Rorbach, zu der man verpflichtet worden war, zu hintertreiben. Trotz verschiedener Konflikte und Unstimmigkeiten arbeiteten Rat und Reichshauptmann insgesamt umgänglich zusammen. Das Auftreten Rorbachs wurde als „burgerlich und frunntlich“ geschildert. Vom Kaiser wurde Rorbach auch mit anderen Aufgaben im Reich betraut. Er war daher oft von Regensburg abwesend und konnte so seine Amtspflichten in der Stadt nicht immer ordnungsgemäß wahrnehmen.
Die Wohnungen der Reichshauptmänner in Regensburg
Als Wohnsitz wurde Sigmund von Rorbach der 1485 unter Herzog Albrecht IV begonnene Schlossbau beim Prebrunntor zugewiesen. Sicher nicht zufällig residierte er damit ausgerechnet im Schlossbau des als Stadtherrn abgesetzten Herzogs Albrecht IV. An dieser Stelle steht heute der Gebäudekomplex „Am Singrün 2“, der noch Bestandteile seiner Vorgängerbauten bis in die Romanik enthält. Eine Sanierung 1992 versuchte die Ecktürmchen, die die Ansicht von Regensburg von Matthäus Merian aus dem Jahr 1644 am Turm des Schlosses zeigt, im Baukörper wieder aufzunehmen.
1510 verlegte man den Wohnsitz von Rorbachs in ein Gebäude in die Obere Bachgasse. Mit Rorbachs Tod 1511 hoffte die Reichsstadt, dass das Kapitel Reichshauptmann für Regensburg zu einem Ende kommen würde. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht: Die Fuchssche Behausung (Vorgängerbau des protestantischen Alumneum) war Wohnort der Reichshauptleute Thomas Fuchs von Schneebergs (Reichshauptmann 1512-1526) und Hans Fuchs von Schneebergs (Reichshauptmann 1526-1529); das Zandthaus an der Ecke Gesandtenstraße / Spiegelgasse jener der Reichshauptleute Christoph Blarer (Reichshauptmann 1529-32), Franz von Hemste (Reichshauptmann 1532-41) und Georg von Loxan (Reichshauptmann 1541-50).
Literaturhinweis
Karl Bauer: Regensburg. Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte, Regenstauf 62014.
Tobias Beck: Kaiser und Reichsstadt am Beginn der frühen Neuzeit. Die Reichshauptmannschaft in den Regensburger Regimentsordnungen; 1492 – 1555 (Regensburger Studien,Bd. 18), Regensburg 2011.
Helmut-Eberhard Paulus: Regensburg VI. Lit. A Westnerwacht (Baualterspläne zur Stadtsanierung in Bayern 6), München 1983.
Georg Schmidt: Der reichspolitische Hintergrund der Regensburger Reformation. In: Harriet Rudolph (Hg.): Die Reichsstadt Regensburg und die Reformation im Heiligen Römischen Reich, Regensburg 2018, 31–49.