Sarah Staufer
Reichsstädtische Brunnen als Wasserquellen und Repräsentationsorte
Meist auf zentralen städtischen Plätzen oder an Straßenkreuzungen gelegen, dienten Brunnen in der Frühen Neuzeit nicht nur als öffentliche Wasserquellen, sondern auch als Orte der Begegnung und des Austauschs. Privathaushalte wie Handwerksbetriebe oder öffentliche Institutionen waren auf das kostbare flüssige Gut angewiesen. Mit dem gezielten Ausbau der städtischen Wasserversorgung in Regensburg ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden einige der zuvor hölzernen Brunnenkasten symbolträchtig ausgeschmückt, um das Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Reichsstadt zu repräsentieren. Aufwändig ausgestattete Brunnen waren zugleich Ausdruck wirtschaftlicher Blüte und politischer Programmatik der Reichsstadt. So ist es nicht verwunderlich, dass die Ausgestaltung an zentralen Plätzen der Stadt gelegenen Brunnen oft mit reichspolitischen Ereignissen einherging, die für Regensburg von Bedeutung waren. Wie in kaum einer anderen Reichsstadt gibt es in Regensburg gleich fünf, zwischen 1566 und 1721 errichtete Brunnen, die mit Symbolen des Heiligen Römischen Reiches und der Reichsstadt verziert wurden: den Adlerbrunnen, den Kurfürstenbrunnen, den Friedensbrunnen, den Justitiabrunnen und den Reichsstadtbrunnen.
Kaiser Maximilian II. in Regensburg
In den 1570er Jahren weilte Kaiser Maximilian II. (1527-1576) zweimal in Regensburg. Zunächst fand hier der Kurfürstentag von 1575 statt, auf dem Maximilians Sohn, Rudolf II., (1552-1612) zum Römischen König gewählt und gekrönt wurde. Obwohl die Goldene Bulle Frankfurt am Main als Wahlort vorschrieb, hatte man sich für die Reichsstadt an der Donau entschieden, um dem bereits kranken Kaiser eine körperlich anstrengende Reise zu ersparen. Aus diesem Grund verständigten sich Kaiser und Kurfürsten auch darauf, im darauffolgenden Jahr den Reichstag, auf dem der Kaiser eine hohe Türkenhilfe durchsetzen wollte, ebenfalls in Regensburg abzuhalten, wo Maximilian II. am Ende des Reichstags im Bischofshof verstarb.
Ein kaiserlicher Förderer des Klosters
Den zuvor einfachen Löwenbrunnen mit hölzernem Trog im Vorhof des Klosters St. Emmeram ließ Ambrosius Mayerhofer (1530-1583) 1578/79 repräsentativ umgestalten. Unmittelbarer Anlass für die Neugestaltung, die er dem Regensburger Bildhauer Michael Dietlmaier übertrug, war wahrscheinlich Mayerhofers Wahl zum Abt von St. Emmeram während des Regensburger Kurfürstentages von 1575. Auf der mit vier aus Masken ragenden Wasserspeiern versehenen Mittelsäule erhebt sich die steinerne Figur Kaiser Arnulfs von Kärnten (850-899) im Harnisch. Er trägt ein teilvergoldetes Reichszepter aus Kupfer und einen steinernen Wappenschild mit dem Doppeladler, der französischen Lilie und bayerischen Wecken. Das Kloster St. Emmeram fühlte sich diesem Karolinger besonders verbunden, weil er hier seine Kaiserpfalz einrichten und sich auch bestatten lassen hatte. Mayerhofer huldigte mit dieser Gestaltung also einem Mitstifter und Förderer der Abtei, der nicht zufällig durch den Chronisten Andreas von Regensburg (1382-nach1442) als „berühmtester Herrscher Europas“ betitelt wurde.
Symbolische Darstellung der Reichsverfassung
Die Brüstungsfelder des oktogonalen steinernen Brunnentrogs, der ganz mit Blei ausgekleidet war, zeigen Reliefs mit den von Löwen oder Putti gehaltenen Wappen der sieben Kurfürsten und das Reichswappen. Die Ecklisenen schmücken Früchtegehänge oder auch musizierende Putti. Die Kurfürsten wurden zeitgenössisch als „Säulen des Reiches“ bezeichnet, weil ihnen verfassungsmäßige Rechte zukamen, welche den Umfang der kaiserlichen Macht begrenzten und die Teilhabe der Kurfürsten an der Herrschaft sicherten. So entschieden diese auch mit über die Wahl eines Reichstags– oder Wahl- und Krönungsortes. Seit 1519 war es außerdem üblich, eine durch die Kurfürsten verfasste Wahlkapitulation zu unterzeichnen, welche die Mitbestimmung der Kurfürsten in wichtigen Fragen regelte Auch König Rudolf II. hatte dies vor seiner Wahl zum Römischen König und zukünftigen Kaiser 1575 in Regensburg getan. Als Vertreter eines geistlichen Reichsstands, des Klosters St. Emmeram, war Mayerhofer, der auch den weithin sichtbaren Glockenturm des Klosters errichten ließ, dieses einzigartige Element der Reichsverfassung offenbar besonders wichtig, zumal es ihn an die für ihn persönlich so bedeutsamen Reichsversammlungen von 1575/1576 erinnerte. Als 1831 das Schlossareal für den fürstlichen Marstall umgestaltet wurde, erhielt der Brunnen einen neuen Platz in der Schlosseinfahrt nahe dem Emmeramsplatz. Von dort wurde er schließlich 1889 in den inneren Schlosshof versetzt.
Coelestin Vogl: Ratisbona Politica. Staatisches Regenspurg […], Regensburg 1729, 177f.
Die Textquelle zeigt die Hochschätzung des Brunnens zu dieser Zeit, sie belegt aber auch, dass zu dieser Zeit die Brunnenfigur schon nicht mehr richtig identifiziert wurde. Denn inzwischen galt Kaiser Karl der Große (747/48-817) als „berühmtester Herrscher Europas“, nicht mehr Arnulf von Kärnten. Beide Kaiser waren auf einem Fresko in der Vorhalle des Klosters und als Skulpturen am Glockenturm von St. Emmeram zu sehen gewesen, aus der Perspektive des Klosters war aber Arnulf der wichtigere Förderer.
Literaturhinweis
Helmut-Eberhard Paulus: Wasser im Dienste reichsstädtischer Repräsentation, in: Historischer Verein für Oberpfalz und Regensburg: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 136 (1996), 33-38, 41f.
Elke Masa: Freiplastiken in Regensburg. Brunnen, Denkmäler, Freiplastiken und Installationen im öffentlichen Raum der Stadt, Neustadt an der Aisch 2005, 74f.
Cornelius Will: Der Kurfürstenbrunnen im Hofe des fürstlich Thurn und Taxis´schen Schloßes St. Emmeram zu Regensburg, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 55 (1903), 233-240.